17. Januar 2022 

Long Covid: Auch Genesene brauchen Behandlung

700 Patienten mit Long Covid behandelten die Experten der Paracelsus Harzklinik bis Ende 2021 und es werden täglich mehr. Denn die Langzeitfolgen von Corona sind ein gravierendes Problem für immer mehr Menschen.

Immer wenn Ärzte und Therapeuten bisher glaubten, die Lage bei der Behandlung von Covid-19 im Griff zu haben, überraschte das Virus mit neuen Folgeerkrankungen. Besonders tückisch: „Long Covid“, ein Phänomen, das Patienten auch länger als 12 Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus noch nicht in Ruhe lässt. Geschätzte 10 bis 15 Prozent der „genesenen” Patienten klagen Monate später noch über Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Wortfindungsprobleme, Antriebslosigkeit und das sogenannte Fatigue-Syndrom, Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen.

Neben den körperlichen Folgeschäden bei Long Covid gibt es darüber hinaus auch Erkenntnisse zu psychischen Problemen: überwiegend Depressionen und Angststörungen. Ein Teil der Reha-Kliniken in Deutschland hat sich zwischenzeitlich auf die Versorgung von Betroffenen mit Long Covid eingestellt. Dies ergab eine aktuelle Befragung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) in Frankfurt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte die Erhebung initiiert. Danach bietet rund die Hälfte der Einrichtungen, die bei der Umfrage mitmachten (51 Prozent), eine Behandlung von Long Covid-Folgen an. Ein festgelegtes Konzept gibt es jedoch noch nicht. Die Therapie bleibt weiterhin Angelegenheit weniger Experten.

Langer Weg der Erkenntnis

Zu diesen wenigen Experten gehört das Team der Paracelsus Klinik in Bad Suderode. „Wir haben hier ein Jahr lang fast täglich medizinisches Neuland betreten”, erklärt Dr. med. Stefan Schwarz, Chefarzt der Pneumologie an der Paracelsus Harzklinik in Bad Suderode. Die Klinik gehörte Anfang des Jahres 2021 zu den wenigen somatischen Rehakliniken in Deutschland, die sich frühzeitig auf die interdisziplinäre Anschlussheilbehandlung von Covid-19-Erkrankten eingestellt hatten. Schon damals wurden an der Rehabilitationsklinik, die sich unter anderem auf Atemwegserkrankungen spezialisiert hat, Zustände diagnostiziert, die von Viruserkrankungen so bisher nicht bekannt waren. Besonders häufig beobachteten die Mediziner in Bad Suderode auch neurologische und kognitive Ausfälle mit Langzeitfolgen.

Weiterbehandlung am Heimatort

Mittlerweile hat die Klinik ihr Therapiespektrum Stück für Stück erweitert und ein differenziertes Konzept zur Behandlung von Long Covid entwickelt. „Wir wissen heute, dass gerade wegen der Langzeitfolgen die Behandlung nach der Reha nicht aufhören darf”, erklärt Dr. Schwarz. Die Klinik hat darum einen intensiven Kontakt zu den Berufsgenossenschaften zur weiterführenden Versorgung ihrer Patienten aufgebaut. Alle zwei Wochen trifft man sich in Bad Suderode mit den Reha-Managern der BGW Magdeburg und Dresden sowie der Unfallkassen und überlegt, welche ambulanten Maßnahmen für welchen Patienten nach der Reha erforderlich sind.

Hoher Bedarf in der Nachsorge

Dass die Behandlung von Long Covid nicht abbrechen darf, weiß auch Dr. med. Kai-Uwe Walther, Spezialist für Lungen- und Atemwegserkrankungen am Ambulanten Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Auerbach. Als Teil des MVZ Reichenbach der Paracelsus Kliniken bietet er eine kompetente ambulante Behandlung von Covid-19-Folgen an. „Wir betreuen bereits genesene Patienten ambulant im Wochenrhythmus in der Nachbehandlung und überwachen den Gesundheitszustand”, so der Facharzt für Innere Medizin mit Spezialisierung Pulmologie.

Long Covid Patienten aus der ganzen Region

Aus einem Umkreis von bis zu 50 Kilometern kommen die Patienten derzeit nach Auerbach – rund 1.200 sind es im Quartal. Zum Teil ehemals Infizierte, die auf eine Rehabilitationsbehandlung warten. Aber auch Patienten, die eine vierwöchige Rehabilitation bereits hinter sich haben und immer noch nicht wieder fit sind. Direkt Infizierte behandeln kann er in der Praxis allerdings nur in Ausnahmen. „Wer akut infiziert ist und dessen körperlicher Zustand sich verschlechtert, muss ins Krankenhaus und sollte seinen Hausarzt bzw. im Zweifelsfall die Notaufnahme von Paracelsus kontaktieren”, rät Dr. Walther. Ideal ist für ihn wie für Dr. Schwarz in Bad Suderode eine engere Vernetzung zwischen den Gesundheitssektoren Akut- und Rehamedizin sowie der ambulanten Nachbehandlung zur optimalen Long Covid-Behandlung.