1. März 2022 

Darmkrebs ist zweithäufigste Darmerkrankung

Mehrere hundert Menschen mit der Diagnose Darmkrebs lassen sich jedes Jahr in der Paracelsus Klinik am Schillergarten behandeln. Die Rehabilitationsklinik ist auf Patienten spezialisiert, die eine Krebsbehandlung hinter sich gebracht haben, jedoch weiterhin unter den Folgen von Operation, Chemo- oder Strahlentherapie leiden. Die Gruppe der Patienten mit Darmkrebs ist groß. Kein Wunder, erkranken doch in Deutschland zirka ca. 61 000 Personen jährlich neu an Darmkrebs. Etwa jede 8. Krebserkrankung betrifft den Darm. Damit ist Darmkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung in Deutschland. Darmkrebs entwickelt sich zu etwa 2/3 im Dickdarm (Kolon) und zu etwa 30 % im Enddarm (Rektum). Die meisten Darmkrebserkrankungen entstehen aus einem Polypen.

In der Reha Klinik in Bad Elster hat man seit 1995 spezielle Therapiekonzepte für die Rehabilitation von Darmkrebspatienten immer weiter ausgebaut und verbessert. Ein engagiertes, multiprofessionelles Team konnte so das Rehabilitationsangebot stetig optimieren. Die Folge: sehr gute Rehabilitationsergebnisse und eine hohe Patientenzufriedenheit.

Expertin für onkologische Reha erklärt die Fakten

Dr. med. Constanze Junghans ist onkologische Chefärztin an der Paracelsus Klinik am Schillergarten. Sie weiß, dass Betroffene viele Fragen und Unsicherheiten haben. Und sie weiß auch, dass viele Menschen einfach nicht genügend über die Erkrankung wissen. Der Gang zum Arzt kommt dann oft später als nötig gewesen wäre. Wichtiges rund um Vorsorge, Behandlung und Rehabilitation beantwortet die erfahrene Onkologin und Reha-Medizinerin.

Ab welchem Alter ist man besonders gefährdet?

Nach dem 50. Lebensjahr sollten die angebotenen Krebsvorsorgeuntersuchungen dringend genutzt werden, z. B. die Vorsorgekoloskopie ab dem 55. Lebensjahr – bei vorliegenden Risikofaktoren auch früher. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 65 – 70 Jahren.

Welche Symptome können auf Darmkrebs hinweisen?

Die Symptome sind oft unspezifisch, z. B. Bauchschmerzen, Blähungen, Änderung des Stuhlverhaltens, Durchfälle, Blutbeimengungen im Stuhl, Völlegefühl, Schwäche, Gewichtsverlust.

Welche diagnostischen Möglichkeiten gibt es?

Am sichersten ist die Koloskopie. Ergänzende bildgebende Verfahren zur weiteren Abklärung sind Ultraschalluntersuchungen des Bauchraumes, Computertomographie, Magnetresonanztomographie und Kapselendoskopie. Im Rahmen der Vorsorgemaßnahmen sind auch immunologische Stuhltests im Einsatz.

Gibt es etwas, was man selbst tun kann, um das Darmkrebs-Risiko zu verringern?

Unsere Patienten erhalten folgende Empfehlungen:

  • gesunde Ernährung (ballaststoffreiche Kost mit hohem Gemüse- und Obstanteil, reduzierter Fleisch- und Zuckerkonsum
  • Vermeidung von Übergewicht und Bewegungsmangel (empfohlener BMI < 25)
  • regelmäßige sportliche Aktivitäten, besonders konditionierende Maßnahmen
  • Nikotinverzicht
  • Reduktion des Alkoholkonsums

Menschen mit erhöhtem Risiko sollten unbedingt frühzeitig die Vorsorgemaßnahmen in Anspruch nehmen. Dies betrifft zum Beispiel Menschen mit bekannter Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder Familiärer adenomatöser Polyposis (FAP). Auch Menschen, in deren Familien Darmkrebs aufgetreten ist (besonders bei Betroffenen < 50 Jahren), sollten unbedingt regelmäßig zur Darmkrebsvorsorge gehen.

Wie sieht die Therapie aus, falls Krebs entdeckt wird?

Mögliche Behandlungsmethoden sind Operation, Chemotherapie, Strahlentherapie, Radiochemotherapie, zielgerichtete Therapien und Immuntherapien. Die Therapie ist abhängig vom Tumorstadium, von Risikofaktoren, dem Alter des Patienten, vorliegenden Begleiterkrankungen und dem Einverständnis des Patienten zur empfohlenen Therapie.

Bei der Behandlung des Darmkarzinoms hat die Chirurgie einen hohen Stellenwert. Die Operation ermöglicht bei einem hohen Prozentsatz eine Heilung, unterstützt von zusätzlichen neoadjuvanten und adjuvanten Therapien. Viele Patienten können heute bereits durch minimalinvasive Eingriffe operiert werden.

Werden Fernmetastasen diagnostiziert, z. B. in Leber oder Lunge gibt es Möglichkeiten, Metastasen operativ zu entfernen bzw. ihre Ausdehnung einzudämmen. Dies geschieht durch Zytostatika, Lasertherapie, Hochfrequenzstrom. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien wird eine Chemotherapie eingesetzt, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität des Patienten zu erhalten (palliative Therapie). In der metastasierten Situation ist die spezifische Therapie mit Antikörpern etabliert. Vor Beginn der Chemo-/Immuntherapie ist eine ausführliche Beratung des Patienten hinsichtlich Ernährung, dosierter Bewegungstherapie, möglicher Nebenwirkungen und unterstützender Maßnahmen sehr wichtig. Auch eine psychoonkologische Begleitung kann für manche Patienten sehr hilfreich sein.

Gibt es neue Therapie-Ansätze bzw. woran wird geforscht?

Eine hochqualifizierte Diagnostik ist die wichtigste Grundlage zur individuellen Therapieentscheidung. Die Prognose ist abhängig vom Krebsstadium bei Erstdiagnose und weiterer molekulargenetischer Risikofaktoren. Ergänzende immunhistochemische Untersuchungen sind zur Festlegung der optimalen Therapie des Patienten heute möglich.

In der Zukunft wird sich die Therapie immer mehr an den individuellen Eigenschaften des Tumors orientieren. Es gibt immer neue Entwicklungen von Medikamenten zur Blockade von Rezeptoren der Tumorzellen. So kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Therapie mit Checkpointinhibitoren erwogen werden. In Studien wird geprüft ob bei klinischer Komplettremission nach neoadjuvanter Radiochemotherapie des Rektumkarzinoms die Operation immer erforderlich ist. Interessant sind auch Entwicklungen zur Suche von Tumorzellen im Blut („liquid biopsy“) hinsichtlich Diagnostik und Therapieentscheidungen.

Was erwartet Darmkrebspatienten in der Rehabilitationsklinik am Schillergarten?

Seit 1995 behandeln wir in unserem interdisziplinären Team sehr viele Patienten mit Darm- oder Rektumkarzinom nach einem speziell entwickelten Konzept – aber streng nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Bereits am Aufnahmetag bespricht der behandelnde Arzt im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung die vorliegenden Befunde, die bestehenden Funktionsstörungen, Beschwerden des Patienten und die individuellen Rehabilitationsziele. Gemeinsam wird das Therapieprogramm festgelegt.

Was beinhaltet das Reha-Programm bei Darmkrebs?

Das jeweils speziell zugeschnittene Therapieprogramm beinhaltet Einzel- oder Gruppengymnastik – hilfreich, um die allgemeine Beweglichkeit zu verbessern, die Muskeln zu kräftigen und die Kondition zu steigern. Zusätzlich stehen viele sportliche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die aber individuell angepasst werden, wie z. B. Medizinische Trainingstherapie, Ergometer- oder Laufbandtraining, Terraintraining. Mit umfassender physikalischer Therapie werden Nebenwirkungen von erfolgten Chemotherapien oder Begleiterkrankungen mitbehandelt. Während der Rehabilitation steht den Patienten die Ernährungsberatung durch erfahrene Diätassistenten, Anleitung in der Lehrküche sowie auch Erfahrungsaustausch mit anderen Patienten zur Verfügung.

Polyneuropathiebeschwerden sind ein Problem, nicht wahr?

In der Tat leiden die Patienten als Folge der Chemotherapie häufig an Polyneuropathien im Bereich der Hände und Füße. Auch Funktionseinschränkungen und Gangstörungen treten zum Teil auf. Hier haben wir umfassende Behandlungsmöglichkeiten, z. B. Galvanisation, Zellenbäder, Sensibilitätstraining und Einzelbehandlung im Rahmen der Ergotherapie, Posturomed und Galileo. Wichtig ist, die Patienten für Eigenübungen anzuleiten sowie zu motivieren, da diese auch in den Folgemonaten sehr wichtig und hilfreich sind.

Darmkrebs und künstlicher Darmausgang – wird das berücksichtigt?

Ein Teil der Patienten ist mit einem Kolo- oder Ileo-Stoma versorgt. Diese Patienten werden von speziell geschulten Stomaschwestern betreut. Ziel ist das Erlernen der Stomaselbstversorgung. Sie bildet eine Voraussetzung zur Verbesserung der Lebensqualität sowohl im Alltag als auch im Beruf. Eventuelle Komplikationen wie Wundheilungsstörungen, Hautveränderungen am Stoma, Materialbedarf – ggf. Optimierung der Versorgung werden in der Stomasprechstunde benannt und gemeinsame Strategien entwickelt. Dabei wird auf eine individuelle Anpassung des Stomasystems geachtet. Im Bedarfsfall werden auch Angehörige angeleitet. Bei postoperativen Wundheilungsstörungen werden unsere Patienten von speziell geschulten Wundmanagern versorgt. Viele unserer Patienten mit künstlichem Darmausgang sehen einer Stomarückverlegung entgegen. Diese bereiten wir unter anderem mit intensivem Training der Beckenbodenmuskulatur für die bevorstehende Operation und vor allem für die möglichst schnelle Rückgewinnung der Kontinenz vor.

Die Seele leidet oft mit…

Patienten in jeder Altersgruppe können durch die Krebserkrankung und ihre Folgen psychisch sehr belastet sein. Für alle Patienten steht bedarfsgerechte psycho-onkologische Begleitung sowie auch die Integration in eine krankheitsspezifische Gesprächsgruppe zur Verfügung. Die Patienten erhalten spezielle Informationen zur Krankheitsbewältigung, Diagnose und modernen Behandlungsmöglichkeiten sowie Nachsorgeempfehlungen. In individuellen Sozialberatungen werden die Patienten zu sozialrechtlichen Gesichtspunkten informiert. Unsere Fachkräfte für Sozialarbeit unterstützen die Patienten bei eventuell erforderlichen Anträgen für LTA (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben), stufenweiser Wiedereingliederung, GdB oder auch bei einer beruflichen Neuorientierung

Indikationsübergreifend steht unseren Patienten die mögliche Integration in zusätzliche Angebote zur Verfügung, so z. B. das Programm für „Junge Erwachsene“ sowie die „Spezielle psychoonkologische Rehabilitation“.