3. April 2023 

Den Menschen im Ganzen behandeln

Bogdan Kryvda ist seit Anfang 2022 als Oberarzt in der Paracelsus Berghofklinik in Bad Essen. Zu Mai 2022 folgte zusätzlich die ärztliche Leitung der Adaption Paracelsus Berghofklinik II. Der gebürtige Ukrainer hat mit uns über den Wunsch, den Menschen im Ganzen zu behandeln, berufliche Prioritäten und Macht und Ohnmacht im Bereich der Psychiatrie gesprochen.

Bereits in den letzten zwei Jahren seines Studiums in der Ukraine hat sich für Bogdan Kryvda durch verschiedene Praktika herauskristallisiert, in welchen Bereichen er sich weiterbilden möchte. „Als erstes konnte ich für mich sämtliche operative Fachgebiete ausschließen. Von meiner Natur her bin ich einfach kein Mensch, der gut operieren kann. Täglich am OP-Tisch zu stehen ist nicht meins. Die nicht operativen Fachgebiete haben mich von Beginn an mehr interessiert“, blickt Kryvda auf sein Studium zurück. Somit entschied er sich für die Fachrichtungen Psychiatrie und Suchtmedizin. Ihn habe von Beginn an positiv beeindruckt, wie umfassend in der Psychiatrie mit Menschen gearbeitet und sich nicht nur auf ein krankes Organ oder einen krankhaften Bereich im Leben beschränkt wird. „In der Psychiatrie setzen wir uns mit der gesamten  Lebenssituation des Patienten auseinander und behandeln den Menschen im Ganzen. Dieser Aspekt hat mich sehr gereizt.“ Hinzu kamen pragmatische Gründe. Psychiatrie sei ein schwieriges Feld, in dem nicht jeder gerne arbeite. Es sei eine Herausforderung für ihn gewesen, versprach ihm gleichzeitig aber auch gute Weiterbildungschancen mit wenig Konkurrenz in der Ukraine. Die Erfahrungen während einer parallelen Tätigkeit im Pflege-Nachtdienst und auf Akutaufnahmestationen haben ihn in seiner Entscheidung bestätigt.

Wunsch nach Stabilität und Sicherheit                                                                                          

Die aufkommenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Ukraine und der Wunsch für seine zwei Kinder eine stabile und sichere Perspektive zu schaffen, gaben den Ausschlag für die Auswanderung. „Deutschland war mir immer sehr nahe, weil ich über eine jugendliche Schauspielergruppe bereits im Jugendalter in Deutschland unterwegs war. Ich kannte die Sprache und hatte in der Ukraine Privatunterricht“, begründet der Oberarzt seine Wahl für Deutschland. Er habe dann einfach Glück gehabt und sich bei einer Vermittlungsagentur beworben, die ihn gut betreut hat und nach Osnabrück an das AMEOS Klinikum brachte.

Rückkehr zu den anfänglichen beruflichen Prioritäten                                                                              

Nach zehn Jahren in der Akutpsychiatrie den Schritt in den Rehabereich zu wagen, sei ihm nicht leichtgefallen und war keine einfache Entscheidung. Wichtig sei ihm immer gewesen, dass seine berufliche Situation zu seinem familiären Umfeld passe. Hinzu komme der Aspekt seiner beruflichen Prioritäten. „Nach 17 Jahren Berufserfahrung in der Psychiatrie bin ich mit dem Schritt in den Rehabereich wieder zurück zu meinen Anfangsprioritäten gekommen und kann den Patienten nicht nur in seinen akuten Krisensituationen begleiten.“ Viele psychische Erkrankungen und auch die Suchterkrankung entwickeln sich nicht akut, sondern aufgrund vorangegangener Ereignisse. Dabei spielen unter anderem die Persönlichkeit, biografische oder auch traumatische Ereignisse eine Rolle. „Der Blick auf den Patienten außerhalb seiner akuten Krisen fehlte mir in der Akutpsychiatrie. Ich verspürte das Bedürfnis, Patienten nicht nur in Krisen, sondern darüber hinaus zu betreuen“, erklärt der Oberarzt weiter. Der Wunsch der beruflichen Weiterentwicklung verstetigte sich mit der Zeit. Aufgrund der Wohnortnähe kamen die Paracelsus Kliniken Bad Essen für einen Wechsel in Frage. Das Arbeitsklima, die Kollegen und auch der Arbeitsgeber gaben ihm während einer mehrtätigen Hospitation zusätzlich ein gutes Gefühl. Keine unwichtigen Aspekte, sodass einem Wechsel nichts im Wege stand.

Zwischen Macht und Ohnmacht                                                                                                      

Die langen Betreuungs- und Behandlungszeit in der Reha empfindet Kryvda als einen besonderen Aspekt seines Arbeitsbereiches. Noch mehr bewegt ihn aber das Thema „Macht und Ohnmacht“ insbesondere als Arzt in der Psychiatrie. Es entspreche nicht seiner Natur, mit Gewalt zu arbeiten. Wenn Patienten allerdings hinter geschlossenen Türen untergebracht seien, sei dies in seinen Augen schon eine spürbare Gewaltanwendung. „Das Gefühl habe ich hier in der Rehaklinik nicht mehr. Das finde ich wirklich besonders gut.“ Wenn er etwas tiefer blicke, schätze er vor allem die Flexibilität und die moderne psychotherapeutische Entwicklung in Bad Essen. „Ich kann hier mit traumatisierten Patienten unter Anwendung von z.B. EMDR tiefergehend arbeiten, ohne dass dies dem Hauptkonzept der Klinik und der psychologischen Orientierung widerspricht. Der wohl wichtigste Aspekt für mich.“

Gemeinsam ist das Schlüsselwort                                                                                            

Rückblickend habe er insbesondere den Aspekt der ärztlichen Dokumentation bei seinem Wechsel in den Rehabereich unterschätzt, gibt er ehrlich zu. Dass die Dokumentation mehr werden würde, damit hatte er gerechnet. Er merke allerdings immer noch, dass seine bisherigen Techniken und Methoden angepasst werden müssten. Die Dokumentation sei ausführlicher, umfassender und deutlich anders strukturiert. Umso mehr freue er sich auf die anstehende Weiterbildung im Bereich Sozialmedizin und Rehawesen. „Ich verspreche mir durch die Weiterbildung mehr theoretischen Input, den ich für meine praktische Arbeit in Bad Essen nutzen kann. Eine Weiterentwicklung, auf die ich mich freue.“

Beim Blick in die Zukunft und den Veränderungen im deutschen Gesundheitswesen sei er gespannt, wie es weitergehe. „Mit dem Team hier vor Ort, mit allen Mitarbeitenden und Vorgesetzten habe ich das Gefühl, dass wir aus den Veränderungen gemeinsam etwas noch besseres hervorbringen können. Das Schlüsselwort ist dabei gemeinsam.“

Abschließend betont Kryvda, dass er bei seinem vorherigen Arbeitgeber tolle Kollegen und ein sehr gutes Arbeitsklima gehabt habe. Es sei wirklich kein leichter Schritt gewesen. Die dort gesammelten Erfahrungen und das Sicherheitsgefühl sprachen für einen Verbleib. Heute kann er aber sagen: „Ich habe immer noch vom Herzen her eine positive Erinnerung an diese Zeit und eine starke Bindung, aber vom beruflichen, familiären und allgemeinen Konzept für mein Leben war der Wechsel zu Paracelsus und nach Bad Essen der richtige Schritt für mich!“