11. Oktober 2021 

Die Pandemie hat vielen Menschen die seelische Gesundheit genommen

Auswirkungen auf Familie und Gesellschaft werden in ganzer Tragweite jetzt erst sichtbar / Ärztinnen und Ärzte der psychosomatischen Fachkliniken von Paracelsus rechnen mit wachsendem Therapie-Bedarf

„Wir sehen erst die Spitze des Eisbergs“, ist sich Dr. med. Friederike Bleeker, leitende Oberärztin der Paracelsus Roswithaklinik in Bad Gandersheim, sicher. „Die psychischen Folgen der Pandemie beeinträchtigen unsere Gesellschaft viel mehr als angenommen und werden zunehmend spürbar.“ Seit Monaten wird an der Fachklinik für Psychotherapie, Psychosomatik und Verhaltensmedizin eine wachsende Zahl von Patienten mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen behandelt, die indirekt auf die Covid-19 Pandemie zurückgehen. Das bestätigt auch die Paracelsus Reha-Kliniken in Bad Essen mit psychosomatischem und suchtmedizinischem Schwerpunkt. Dabei sind es nicht Post-Covid-Patienten, also ehemals Infizierte, die unter vielfältigen Auswirkungen der Pandemie auf die Seele leiden, sondern Menschen, die durch den Stress von Lockdown, Home-Schooling, Home-Office oder Kurzarbeit aus der Bahn geworfen wurden oder die als Angehöriger eines Corona-Erkrankten schwer belastet waren und sind. „Wir sehen viele Patienten, die unabhängig von Corona bereits ein herausforderndes Leben hatten oder schon einmal an einer psychischen Erkrankung gelitten haben. Bei vielen dieser Menschen hat die Pandemiesituation dazu geführt, dass ihre seelische Gesundheit so gefährdet ist, dass eine stationäre Behandlung erforderlich ist“, erklärt Friederike Beeker.

Welle psychischer Erkrankungen befürchtet

Anlässlich der diesjährigen Woche der Seelischen Gesundheit, die vom 8. bis 18. Oktober 2021 bundesweit stattfindet, weisen die Paracelsus Kliniken deshalb auf die Tragweite der psychischen Erkrankungen durch die Pandemie hin. Die Befürchtung ist, dass die psychosozialen Belastungen durch fehlende Alltagsstruktur im Lockdown, Vereinsamung, familiäre Probleme oder Existenzängste in den kommenden Monaten und Jahren zu einer Welle von psychischen Erkrankungen führen könnten. Dabei drohen die ohnehin begrenzten Kapazitäten in den Beratungsstellen der psychosozialen Dienste, in Kliniken und bei niedergelassenen Psychotherapeuten, aber auch bei Selbsthilfegruppen zu einem Flaschenhals zu werden. „Wir dürfen schließlich nicht vergessen, dass es natürlich schon vor der Pandemie viele Menschen gab, die mit seelischen Leiden und Süchten zu kämpfen hatten und dass wir seit Jahren einen Mangel an Therapieplätzen im ambulanten und stationären Bereich beklagen müssen“, erklärt Dr. Peter Subkowski, Ärztlicher Direktor der Berghof- und Wittekindklinik in Bad Essen. Und weist gleich auf eine weitere Gefahr hin: „Viele Menschen sind erst durch die Pandemie in die Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten, Drogen oder Online-Spielen geraten.“

Mit grünen Schleifen für Aufmerksamkeit sorgen

Die Paracelsus Kliniken bereiten sich derzeit bereits auf den wachsenden Behandlungsbedarf vor, wollen anlässlich der Woche der Seelischen Gesundheit aber auch die Öffentlichkeit informieren. Mit dem übergreifenden Motto „Gemeinsam über den Berg – Seelische Gesundheit in der Familie“ bietet die Aktionswoche bis zum 18. Oktober mit mehr als 600 Infoveranstaltungen im Live- und Digital-Format dazu den thematisch passenden Rahmen. Psychosoziale Einrichtungen, Selbsthilfeorganisationen und Initiativen in ganz Deutschland gestalten das Programm mit und weisen auf die psychischen Folgen der Pandemie hin. In den Kliniken von Paracelsus wollen sowohl Mitarbeitende als auch Patienten ein sichtbares Zeichen setzen. Hier werden „Grüne Schleifen“ als Symbol für die Akzeptanz seelischer Erkrankungen verteilt und sichtbar im Alltag getragen. Darüber hinaus hält Oberarzt Helmut Platte von der Paracelsus Roswithaklinik in Bad Gandersheim mehrere Vorträge an der Kreisvolkshochschule Northeim zu Hilfe und Behandlung bei Depressionen. Als Mitglied des Bündnisses gegen Depression Südniedersachsen engagieren sich die Reha-Kliniken in Bad Gandersheim rund ums Jahr für eine bessere Aufklärung und Entstigmatisierung seelischer Erkrankungen.